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Anrufer des Tages („Es ist doch nur EIN Brief!“)

Tüdelüdelü!

„Guten Tag, bin ich da richtig bei der Kanzlei, die auch Internetsachen macht?“

„Ja.“

„Eins gleich mal vorweg: ich habe keine Rechtsschutzversicherung mehr! Wissen Sie, ich bin seit einigen Jahren selbständig und da muss man hin und wieder mal einen Anwalt bemühen und da hat die Versicherung gesagt, so jetzt ist Schluss. Sie kennen die Rechtsschutzversicherer ja….“

„Es ist keine Voraussetzung, dass Sie eine Versicherung haben; letztlich sind Sie ja mein Auftraggeber. Egal ob Sie eine Rechtsschutzversicherung haben oder nicht.“

„Ja, außerdem bin ich juristisch auch etwas bewandert. Eigentlich könnte ich die Sache auch selber regeln.“

„Aha.“

„Die Sache ist so: Ich habe Anfang Dezember bei einem Online-Shop einen Artikel für knapp 600,00 EUR bestellt. Die Ware kam auch an, war aber minderwertig. Ich habe den Kram gleich wieder eingepackt und zurückgeschickt. Dort kam auch alles an. Die wissen auch, dass sie mir das Geld zurückzahlen müssen, machen das aber nicht. Ich habe denen jetzt schon -zig Briefe geschickt deswegen. Zuletzt auch mit Fristsetzung. Ich kenne mich ja aus.“

„Mhm.“

„Ja, wie gesagt, könnte ich das auch alleine machen. Eine Rechtsschutzversicherung habe ich übrigens nicht, hatte ich das schon erwähnt?“

„Soll ich Sie in dieser Sache vertreten?“

„Naja, nicht direkt. Eigentlich müssten Sie nur einen Brief schreiben. Damit die sehen, dass ich keinen Spass mache. Sind ja immerhin fast 600,00 EUR. Ihre Gebühren müssten Sie sich aber von der Gegenseite holen, da ich -wie gesagt- keine Rechtsschutzversicherung habe.“

„Wenn Sie die Gegenseite in Verzug gesetzt haben, können Sie sich die Gebühren von denen als Schadensersatz wieder zurückholen, das stimmt. Sie als mein Auftraggeber stehen aber für meine Gebühren gerade und tragen das Insolvenzrisiko des Gegners.“

„Da gibt´s kein Insolvenzrisiko, der Online-Shop von denen läuft. Das können Sie sich beruhigt von denen holen.“

„Ich hole mir zunächst mal von Ihnen.“

„So ein einfacher Brief wird doch nicht die Welt kosten, wie gesagt, ich habe ja keine Rechtsschutzversicherung mehr.“

„Ich würde nach der RVG-Tabelle abrechnen. Moment. Eine Geschäftsgebühr von 1,3 beträgt bei einem Gegenstandswert von bis zu 600,00 EUR exakt 58,50 EUR. Hinzu käme noch die Auslagenpauschale von 11,70 EUR und die Mehrwertsteuer 13,34 EUR.“

„ACHTUNDFÜNFZIG EURO????“

„Plus Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer.“

„FÜR EINEN LÄCHERLICHEN BRIEF???“

„In dem Preis wären sogar mehrere lächerliche Briefe enthalten, wenn die Gegenseite auf den ersten lächerlichen Brief nicht so reagiert, wie Sie das gerne hätten.“

„Aber es geht doch nur um einen Brief, den können Sie doch mit durchschleusen, wenn Sie mal ein bisschen Luft haben! Achtundfünfzig Euro!! Wissen Sie, wie lange ich für 58 EUR arbeiten muss?“

„Soll ich für Sie nun tätig werden?“

„Eigentlich könnte ich das auch selber machen, achtundfünfzig Euro!“

„Ja, dann müssen Sie das für 58,50 EUR selber machen.“

„Ich könnte auch eine Strafanzeige gegen die Shopbetreiber stellen!“

„Ja, man könnte vieles machen, wenn der Tag lang ist.“

„Würde das was bringen, wenn ich eine Strafanzeige gegen die stelle?“

„Die Frage, die ich Ihnen jetzt stelle, ist folgende: Wird Rechtsanwalt Pauleit nun mandatiert oder nicht?“

„Hä?“

„Wenn Sie mich mandatieren, kostet das 58,50 EUR plus Auslagenpauschale plus Steuer. Wenn Sie mich nicht mandatieren wollen, können Sie weiter selber herumexperimentieren. Das kann Sie 0,00 EUR kosten, wenn Sie das Geld zurückbekommen (Porto und Telefonkosten mal außen vor) oder aber bis zu 600,00 EUR, wenn Sie das Geld eben nicht zurückerhalten (Porto und Telefonkosten auch mal außen vor).“

„Ich habe verstanden!“ (Klick, aufgelegt).

P.S. Ich habe den Artikel u.a. verschlagwortet mit „kostenlose Rechtsberatung“. Mal schauen, wie viele Anrufe zu diesem Thema hier eingehen werden. Also Anwaltsalltag und  SEO in einem Beitrag.

Markentiger

10 Comments

  1. Ist das nicht schön das wir hier in Deutschland sind?
    Da sind die Anwaltskosten so schön niedrig. Und das ist mein Ernst.

    Wenn ich da an andere Länder denke, da könnte man mit knapp 60€ nicht mal dem Anwalt den verbrauchten Kaffee bezahlen.
    Und ich bin nicht einer dem 500€ p.h. ein schmerzhafter Verlust sind….

  2. Briefpapier bereitstellen, Mandanten„Eigentlich selbst fast Anwalt“ selbst machen lassen, und im Gegenzug den Satz auf 1,0 senken (oder 0,8; wenn man noch Briefbögen aus der Zeit vor der Kanzleiumbenennung und dem Umzug im Keller hat, und die Praktikantin danach suchen schickt). Wenn er reinfällt, weiß er wenigstens, das er das nächste Mal die Finger von läßt. Schadet zwar der eigenen Reputation , aber Nachfolger für …(zensiert! J.P.) werden ja immer gesucht, hört man.

    • Hab´ da mal den Namen von dem Kollegen zensiert. Er soll zwar keine Mahnungen mehr schreiben, aber vielleicht jetzt Abmahnungen ;-)

    • Wenn er reinfällt, ist – aus Sicht eines solchen Mandanten – natürlich der Anwalt schuld und muss dafür haften. Schließlich ist die Sache doch eindeutig und ein Kinderspiel; der Anwalt muss das nur noch mal eben umsetzen. Darüber hinasu wird es mit einem Brief im Zweifel nicht getan sein. Und ob man die Entwürfe eines „Ich bin juristisch auch etwas bewandert“-Mandanten einfach so auf seinen Briefbogen drucken möchte, wage ich auch zu bezweifeln.

      Bei solchen Mandaten zahlt der Anwalt kräftig drauf. Und wenn man dem Mandanten, der seit einigen Jahren selbständig ist und „hin und wieder mal einen Anwalt bemühen“ muss erst einmal den kleinen Finger gereicht hat…

  3. In anderen Ländern würde es aber auch mehr als einen Anwalt geben, der sich nur im Erfolgsfall vergüten lässt.
    Kostet dann mehr, aber eben nur im Erfolgsfall.
    Finde ich nicht wirklich schlecht.

    • Erfolgsfallvergütung würde es für diese Vertragssache selbst in den USA nicht geben. Die Gerüchte in Deutschland über die Quota Litis sind abstrus.

      Hier würde völlig normal nach dem Zeitaufwand abgerechnet, und der würde bei diesem Fall über 600 Euro liegen, weil der Besserwisser schon so viel Korrespondenz fabriziert hat, die erst zu analysieren ist, bevor der Anwalt nach außen auftreten kann.

      Im Ergebnis wäre das Gespräch in den USA kürzer gewesen: „Dumm gelaufen. Kein gutes Geld schlechtem nachwerfen.“ Nur würde ein Ami erst gar nicht den Anwalt wegen solch einer Sache anrufen, sondern seine Kreditkartenfirma.

  4. Ein schöner Beitrag.

    Eine einfache Zahlungsaufforderung (keine Prüfung/kein zweiter Brief) könnte man natürlich auch als „einfaches Schreiben“ mit einer 0,5 Gebühr abrechnen.

    Interesse hätte ich an solch einem Mandat aber auch eher nicht :-)

  5. Warum soll ich beim Vorschuss direkt auf eine 0,8 Gebühr gehen? Wenn ich dann drei Briefe schreiben muss, rechtfertigt das vielleicht sogar eine 1,5 Gebühr. Also Vorschuss wird bei mir in solchen Sachen immer mit 1,3 abgerechnet.

  6. [Ironie an] Pfui, ihr seid ja wie die Zahnärzte, die auch für so’ne kleine Füllung Geld haben wollen! Und dann auch noch 2,3fach! (Keine Ironie: 2,3 GOZ entspricht dem Preis von 1988; seit dem gab’s KEINE GOZ-Gebührenanpassung!)
    So’n Brief und so’ne lächerlich Krone, das müßt(en) ihr (wir) doch umsonst machen! Anwälte und Ärzte schwimmen doch im Geld! [Ironie aus]

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