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Proxy-Nutzung vs. Länderbeschränkungen – ein urheberrechtliches Problem?

Vor kurzem berichtete das LoadBlog über Add-Ons für Firefox und Chrome, die automatisch Proxy-Server suchen und verwenden. Bei der Verwendung dieser Add-Ons stellt sich aber die Frage, ob sich hierbei möglicherweise urheberrechtliche Probleme ergeben können, wenn man beispielsweise auf dem YouTube-Portal Videos abruft, die „in deinem Land leider nicht verfügbar sind“.

Ich würde die urheberrechtliche Situation so sehen:

Beide vorgestellten Add-Ons suchen automatisch einen Proxy-Server und verwenden diesen für den Datentransfer. Vereinfacht ausgedrückt, schaltet sich der Proxy zwischen den Browser und den Webserver von dem z.B. das Video gestreamt werden soll.

Statt mit einer deutschen IP-Adresse auf dem Zielserver anzufragen (und abgewiesen zu werden), wird die Anfrage  nun über den Proxy an die eigentliche Adresse weitergeleitet. Der YouTube-Server erkennt nun die zu sperrende deutsche IP nicht mehr, da nur noch die Adresse des Proxy dort aufläuft.

So viel in aller Kürze zum technischen Ablauf. Verstößt man mit der Nutzung dieser Add-Ons aber gegen das Urheberrecht?

Zunächst einmal könnte mit der Verwendung der Add-Ons ein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von YouTube in Betracht kommen. Allein mit der bloßen Nutzung der Dienste sollen die YouTube-Nutzungsbedingungen anerkannt werden (Ziffer 2.1 und 2.2 der Nutzungsbedingungen). Hat diese ein durchschnittlicher User je zur Kenntnis genommen?

Unabhängig davon findet sich in den Bedingungen keine Passage, nach der die Nutzung eines Proxy-Servers nicht erlaubt wäre. Ein Verstoß gegen ein vertragliches Verbot liegt bei der Nutzung der Add-Ons also nicht vor.

Das Streamen von gesperrten Filmen könnte aber gegen das deutsche Urheberrecht verstoßen. Dieses  will in erster Linie deutsche Urheber – aber auch Urheber aus der EU und dem Europäischen Wirtschaftsraum schützen (vgl. § 120 UrhG). Der Schutz der übrigen Urheber ergibt sich aus § 121 UrhG. In Absatz 1 heißt es:

„Ausländische Staatsangehörige genießen den urheberrechtlichen Schutz für ihre im Geltungsbereich dieses Gesetzes erschienenen Werke, es sei denn, daß das Werk oder eine Übersetzung des Werkes früher als dreißig Tage vor dem Erscheinen im Geltungsbereich dieses Gesetzes außerhalb dieses Gebietes erschienen ist. Mit der gleichen Einschränkung genießen ausländische Staatsangehörige den Schutz auch für solche Werke, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in Übersetzung erschienen sind.“

Na, alles verstanden? Im Klartext heißt dies, dass ein urheberrechtlicher Schutz nur dann besteht, wenn das Werk innerhalb von dreißig Tagen nach dem Erscheinen im Ausland auch in Deutschland herausgebracht wurde. Wenn dies nicht der Fall ist, würde ein Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz ausscheiden.

Unterstellen wir nun, dass die Veröffentlichung z.B. eines Musikvideos zeitgleich im Ausland und in Deutschland stattgefunden hat und das deutsche Urheberrecht somit anwendbar ist.

In einem solchen Fall könnte das Streamen unter Nutzung der Add-Ons gegen das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers gem. § 16 UrhG verstoßen:

„Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.“

Beim Streamen passiert technisch folgendes:  Nach der Anforderung wird von dem Server der Datenfluss (also der Stream) gezielt an den Nutzer übertragen. Der Stream wird auf dem heimischen PC jedoch nicht dauerhaft, sondern nur im Cache vorübergehend gespeichert.

Im Cache wird jedoch immer nur ein Teil des Streams gepuffert, damit Bildruckler möglichst vermieden werden. Eine komplette Speicherung wie etwa beim klassischen Filesharing findet nicht statt. In das Vervielfältigungsrecht wird aber bereits dann eingegriffen, wenn einzelne Teile des Werkes betroffen sind. Es liegt also scheinbar ein Verstoß gegen § 16 UrhG vor.

Nun kommt jedoch § 44a UrhG ins Spiel:

„Zulässig sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist,

1. eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler

oder

2. eine rechtmäßige Nutzung

eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.“.

Grundsätzlich ist es so, dass durch die flüchtige Vervielfältigung eine rechtmäßige Nutzung ermöglicht werden muss. Was aber ist nun eine „rechtmäßige Nutzung“? Mit § 44a UrhG wurde weitgehend wörtlich die einzig zwingende Schrankenbestimmung  der Multimedia-Richtlinie (2001/29/EG) in das deutsche Urheberrecht übernommen. Betrachtet man  Erwägungsgrund 33 der Multimedia-Richtlinie, so soll eine Nutzung dann rechtmäßig sein, wenn sie vom Rechteinhaber zugelassen und nicht durch Gesetze beschränkt ist.

Da YouTube mit dem Hochladen der Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz eingeräumt wird (Ziffer 10.1 der Nutzungsbedingungen), haben die Rechteinhaber (ich meine hier die der offiziellen Musikvideos) das Streamen ihrer Werke zugelassen; das  Material stammt aus einer legalen Quelle. Das bloße Betrachten des Streams –also die Nutzung des Werkes an sich- erfüllt keinen Verbotstatbestand des Urhebergesetzes. Auch mit der Umgehung der Ländersperre durch die Nutzung eines Proxy wird gegen kein Gesetz verstoßen.

Meiner Ansicht nach verstößt man mit der Nutzung der Add-Ons nicht gegen deutsches Urheberrecht.

 

Mein Beitrag wurde auch auf dem LoadBlog veröffentlicht. Rege Diskussionen sind erwünscht.

Markentiger

3 Comments

  1. Der Schutz bzw. Nichtschutz von Drittstaatlern ist so einfach ist leider nicht geregelt, wie Sie es darstellen. Zum einen gibt es die gemeine Regelung für Staatsverträge, die Drittstaatler den Inländern teilweise bzw. vollständig gleichstellen. Ein solches hatte schon das deutsche Reich mit den USA geschlossen. (Übereinkommen vom 15.1.1892 über den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte, RGBl. 1892, S. 473, heute gemäß Wiederanwendung – BAnz. Nr. 144/50 nach zwischenzeitlicher Nichtanwendung wieder in Kraft)

    Und es gibt das sog. (Revidierte) Berner Übereinkommen von 1886 ((RGBl. 1887, S. 127, revidierte Fassung von 1971), nachdem alle Bürger von Mitgliedsstaaten grob – mit der ausdrücklichen Ausnahme des Schutzfristenvergleichs – wie Inländer zu behandeln sind.

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